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Smart Grid: Revolutionierung des Strommarktes oder Gläserner Mensch

Kategorie: Strom

Energie hat Konjunktur. Konjunkturen haben Schlüsselwörter. Schlüsselwörter kommen und gehen. Auf dem Energiemarkt ist ein Schlüsselwort gerade ganz groß im Kommen: Smart Grid, oder zu Deutsches: Intelligentes (Strom-)Netz. Smart Grid ist tatsächlich eine vielversprechende Neuerung auf dem Energiemarkt und für viele Befürworter die überfällige Verbindung moderner IT-Technologie und klassischer Energieversorgung. Ein Smart Grid soll dabei eine bidirektionale Datenkommunikation ermöglichen und die Stromversorgung langfristig sogar dezentralisieren. Doch auch Kritiker werden laut, die in Smart Grid einen weiteren Schritt in Richtung "Gläserner Mensch" sehen.



Die zentrale Stromversorgung ist das dominierende Modell auf dem Energiemarkt. Kraftwerke produzieren Strom, speisen diese in das Stromnetz ein und der Kunde, der einen Vertrag mit einem Stromanbieter hat, wird von diesem mit Strom beliefert. In den letzten 10 Jahren konnten Stromkunden verstärkt ihren eigenen Strom produzieren. Etwa durch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Kleinere Haushalte können damit oft den gesamten Strombedarf decken und konnten zudem in den vergangenen Jahren die Anlage staatlich bezuschussen lassen. Auch der Hamburger Ökostromanbieter LichtBlick machte in den vergangenen Wochen Schlagzeilen durch die so genannten Zuhausekraftwerke (Tarifo.de berichtete). Diese dezentrale Stromerzeugung braucht zunehmend Koordination.



Smart Grid kann man sich vereinfacht gesagt als eine Reihe vernetzter Computer vorstellen, die die Aufgaben bewältigen, welche früher verschiedene Einzelgeräte oder Prozessschritte erledigten: das Zählen des Stromverbrauchs, das Ablesen des Zählerstandes, die Abrechnung mit dem Stromanbieter, Kostenanalyse und Analyse des eigenen Verbrauchsverhaltens, Strom-Einspeisung oder auch den Ausgleich von Spitzenlasten in der Stromversorgung.



Der Computer, das Smart Grid, kann z.B. die Strompreise analysieren und die Geräte im Haus automatisch so steuern, dass sie zu bestimmten Zeiten laufen, in denen der Strom besonders günstig ist. Die Waschmaschine stellt der Computer also Nachts an und das Nutzwasser wird tagsüber aufgeheitzt, wenn die PV-Anlage viel Strom erzeugt. Auf neuhochdeutsch heißt das dann Grid Asset Management. In diesen Bereich fällt auch die Kostenanalyse. Über das Internet wird der aktuelle Stromverbrauch sekundengenau an einen PC übermittelt. So kann man z.B. An-/Aus-Szenarien durchspielen, um zu sehen, wieviel Strom ein bestimmtes Gerät verbraucht. Auch kann man verschiedene Geräte vergleichen und feststellen, ob die Energiesparlampe wirklich eine solche Kostenersparnis bringt, wie behauptet wird.



Die Energieversorgung in Deutschland wird damit transparenter und kann folglich effizienter genutzt werden. Und genau hier treten die Kritiker von Smart Grid auf den Plan. Denn: wenn sich der Stromverbrauch von überall auslesen lässt, lässt er sich auch überwachen. Der kriminelle Missbrauch ist hierbei nur ein Argument gegen die intelligenten und vernetzten Zähler: der Einbrecher kann auslesen, dass in einem Haus seit Tagen kein Strom verbraucht wurde und daraus schließen, dass die Bewohner im Urlaub sind. Möglicherweise lassen sich sogar elektronische Geräte wie die Alarmanlage fernsteuern. Ein weiterer Kritikpunkt sind jedoch auch die staatlichen Überwachungsmöglichkeiten. Horrorszenarien von einem rundum-überwachten Menschen drängen sich auf, George Orwell lässt grüßen. Nach der Vernetzung im Internet, über die sich schon mühelos ganze Profile von Hobbys, Vorlieben und Neigungen erstellen lassen, nun auch noch der individuelle Energie-Fingerabdruck....?!







Ein erster Schritt in die kommerzielle Nutzung von Smart Grid-Systemen hat der Stromanbieter Yello Strom unternommen. In Kooperation mit dem US-amerikanischen IT-Unternehmen Cisco Systems, Inc.  hat der Stromanbieter mit Sitz in Köln den so genannten "Sparzähler online" entwickelt. Ein kleiner, unscheinbarer und natürlich gelber Kasten, der anstelle des alten Stromzählers installiert wird und von Yello Strom als "wahres Energiesparwunder" angepriesen wird. Ein interaktives Video auf der Webseite von Yello Strom (www.yellostrom.de) zeigt wie es funktionieren soll: Glühbirne an und schon lässt sich deren Verbrauch sekundengenau in einem Graphensystem am PC ablesen. Dabei misst die Software die Leistung der Verbraucher aus, so wie den Gesamtverbrauch. Ist der Strompreis pro kWh bekannt, kann man so auf Knopfdruck erkennen, wie hoch die Stromrechnung ausfällt. Böse Überraschungen fallen weg. Und: fällt die Rechnung zu hoch aus, lassen sich die Energiefresser leicht ausfindig machen.



Die Analyse der Kosten und die genaue Aufschlüsselung ist aktuell noch nicht wirklich preisgünstig. 13,98 EUR verlangt Yello Strom als monatliche Grundgebühr bei einem Verbrauchspreis von 20,03 Cent/kWh in Berlin. Hinzukommt ein einmaliger Einrichtungspreis des Gerätes i.H.v. 79,00 Euro. Das geht deutlicher billiger. Zu diesem Resultat kam auch die Stiftung Warentest, die Yello Strom für die hohe Transparenz der Tarife und die Verbraucherfreundlichkeit als Testsieger auf Platz 1 setzte (Ausgabe 10/2009), jedoch auch gleichzeitig die höheren Strompreise zur Sprache brachte. Dass es günstiger geht, zeigt ein Stromvergleich. Am Ende entscheidet natürlich der Kunde.