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Desertec: Europa will Afrika Öko-Strom abzapfen

Kategorie: Strom

München - "Auch der längste Marsch beginnt mit dem ersten Schritt", wusste schon der alte Meister Laotse. Am vergangenen Montag setzte sich das Wüstenstrom-Projekt "Desertec" in München in Bewegung. Das Bescheidene Ziel der zur Zeit größten privaten Öko-Strom-Initiative: Die 15 %-ige Deckung des europäischen Strombedarfs bis 2050 mit Solar-Strom.



Zwölf Unternehmen unterzeichneten am 13.7.2009 in den Räumlichkeiten der Münchener Rück ein "Memorandum of Understanding" zur Gründung einer Desertec Industrial Initiative Planungsgesellschaft (DII). Als Ziel geben die Beteiligten laut Pressemitteilung "die Analyse und Entwicklung von technischen, ökonomischen, politischen, gesellschaftlichen und ökologischen Rahmenbedingungen zur CO2-freien Energieerzeugung in den Wüsten Nordafrikas" aus. Das Vorhaben dient dazu, sich das Energiepotential der Wüsten zueigen zu machen.



Wenn die Ergebnisse der Analyse wunschgemäß ausfallen, will man die Wüsten – wie bereits mit Andasol in Andalusien der Fall – Stück für Stück mit Solarthermie-Kraftwerke erschließen. "Wenn es klappt, wird mit dem Bau der ersten Kraftwerke 2015 begonnen", kündigt Gerhard Knies, Aufsichtsratsvorsitzender der Desertec Foundation gegenüber dem Radiosender MDR-Info an. Diese Anlagen sollen dann klimafreundlichen Strom auf den Europäischen Kontinent leiten. Erforderlich hierfür ist neben dem Bau der Solartherm-Kraftwerke auch ein neues Hochspannungsnetz. Für dieses gigantische Vorhaben kalkulieren die beteiligten Unternehmen (ABB, ABENGOA Solar, Cevital, Deutsche Bank, E.ON, HSH Nordbank, Man Solar Millenium, Münchener Rück, M+W Zander, RWE, Schott Solar und Siemens) mit einem Investitionsbedarf von 400 Milliarden Euro. Allerdings ist bislang unklar, woher woher dieses Geld kommen soll. Laut Bild.de liegt bislang kein Finanzierungkonzept vor.



Noch bevor das Projekt offiziell vorgestellt wurde, meldete sich mit Prof. Dr. Hermann Scheer, MdB, Präsident von Eurosolar und Vorsitzender des Weltrats für Erneuerbare Energien ein kritischer Bedenkenträger zu Wort. Der SPD-Politiker bezeichnet das Desertec-Projekt als "Fata Morgana" und wirft den Verantwortlichen vor, die Kosten "künstlich heruntergerechnet" zu haben. Außerdem weißt Scheer darauf hin, dass die Verwirklichung der Desertec-Pläne keinesfalls zu günstigerem Strom führen, als wenn man die Investitionen in Europa selbst vornehmen würde. Als Beispiel hierfür nennt der Kritiker Deutschland, wo seit 2000 "der Stromerzeugungsanteil aus Erneuerbaren Energien auf 15 Prozent gesteigert" wurde, "mit einem Investitionsvolumen von rund 80 Milliarden Euro". Durch den Rummel um Desertec, sollten des Weiteren nicht die Möglichkeiten zur Speicherung von Sonnen- und Wind-strom in Europa – quasi vor Ort – unberücksichtigt bleiben.



Die Bedenken des Eurosolar-Präsidenten würden anders ausfallen, wenn die Beteiligten das Desertec-Vorhaben weniger als latent kolonialistisches Projekt und mehr als Entwicklungshilfe für den Afrikanischen Kontinent betreiben würden. Die Stromversorgung der Sahara-Staaten könnte auf diesem Weg sogar "in weniger als 20 Jahren [..] vollständig auf Erneuerbare Energien" umgestellt werden. Die Investitionen wären ein wesentlicher Beitrag zur Stabilisierung der politischen und wirtschaftlichen Lage der jeweiligen Länder. Den Bewohnern böten sich neue soziale Perspektiven und der Beitrag des billigen Öko-Stroms wäre zum Klimaschutz liegt auf der Hand.



Auf die zuletzt genannten Möglichkeiten schielen auch die Desertec-Befürworter. Auch die weiter zunehmende Unabhängigkeit von Gas aus Russland oder Öl aus den Golfstaaten dürfte von Bedeutung sein. Doch bislang gingen die Desertec-Verantwortliche nur den ersten Schritt. Das Thema wird die Wirtschaft, die Politik und letztlich vor allem die Strom-Verbraucher noch einige Jahre begleiten. Und vielleicht fließt in Zukunft ja 15 % Wüstenstrom in den Stromvergleich in Hamburg.