Strompreis-Rabatte für Industrie: Gabriel agiert laut Künast als „Genosse der Bosse“
Kategorie: Strom
Energieintensive Unternehmen sollen auch in Zukunft von umfangreichen Strompreis-Privilegien profitieren können. Ein am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedeter Gesetzentwurf sieht vor, international agierende Unternehmen mit einem hohen Stromverbrauch weiterhin um insgesamt rund 5,1 Milliarden Euro im Jahr bei der Zahlung der Ökostrom-Umlage zu entlasten. Laut Kritikern kommt Bundesenergieminister Sigmar Gabriel privaten Stromverbrauchern, denen eine fairere Umverteilung der Energiewende-Kosten in Aussicht gestellt worden war, mit dem Gesetzentwurf aber nicht entgegen. Wirtschaftsexperten kritisieren, dass der von Brüssel gewährte Spielraum für Strompreis-Rabatte nicht voll ausgeschöpft wird.
Sigmar Gabriel (SPD)
Sigmar Gabriel (SPD)
Stromverbraucher würden durch EEG-Reform nicht entlastet
Am Donnerstag will der Bundestag über die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) beraten, im August soll die EEG-Reform dann in Kraft treten. Laut dem Gesetzentwurf von Gabriel sollen zukünftig etwa 1600 energieintensive Unternehmen von Rabatten bei der Zahlung der EEG-Umlage profitieren. Bislang kommen rund 2100 Firmen in den Genuss der Strompreis-Privilegien. Die Summe, um die die Industrie jedes Jahr entlastet wird, soll insgesamt aber nicht sinken. Für Firmen, die in Zukunft aus dem Rabattsystem herausfallen, sind besondere Härtefallregelungen vorgesehen. So soll kein einziges Unternehmen, was zukünftig die Kriterien nicht mehr erfüllt, komplett auf Strompreis-Rabatte verzichten müssen. Für diese Betriebe soll die EEG-Umlage um 80 Prozent reduziert werden. Bislang waren es 85 Prozent. Diese Regelung soll unbefristet gelten. Renate Künast, Grünen-Politikerin und Vorsitzende des Bundestags-Verbraucheraussschusses, kritisierte den Gesetzentwurf scharf: Gabriel hätte den Bürgern eine andere Verteilung der Energiewende-Kosten zugesagt, diese aber nicht umgesetzt. Es würde vor allem die Industrie geschützt, aber weder Verbraucher noch Umwelt. Gabriel agiere als „Genosse der Bosse“. Andere Politiker vertreten ähnliche Meinungen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte der dpa, Gabriel habe sein Versprechen, Verbraucher und kleinere Firmen um mindestens eine Milliarde Euro zu entlasten, gebrochen. Auch Caren Lay, Fraktionsvize der Linkspartei, kritisierte Gabriels Reformpläne. So müssten auch in Zukunft private Verbraucher und kleinere Unternehmen „für die Konzerne blechen“.EEG-Reform industriepolitisch „äußerst problematisch“
Gabriel verteidigte seine Pläne. Eine Abschaffung aller Industrie-Privilegien könne zwar die Stromrechnung eines durchschnittlichen drei-Personen-Haushalt um rund 40 Euro im Jahr sinken lassen. Im Gegenzug würden dann aber Hunderttausende Arbeitsplätze in der Industrie verloren gehen. Der Wirtschaft gehen die neuen Regelungen teilweise nicht weit genug. Es wird kritisiert, dass der von der EU-Kommission gewährte Spielraum nicht voll ausgeschöpft werde. Energieintensive Betriebe betonten, dass trotz Strompreis-Rabatten steigende Kosten zu tragen seien. Utz Tillmann vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) sagte, dass die schärferen Regelungen gerade noch verkraftbar seien. Die Präsidentin des Verbandes der Textil- und Modeindustrie, Ingeborg Neumann, warnte im Handelsblatt davor, dass die Verschärfung der Regelungen für die Textilhersteller eine „Katastrophe“ darstelle. Arbeitsplatzabbau und Produktionsverlagerungen ins Ausland wären vorprogrammiert. Kritik an den Plänen Gabriels kommt auch von Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU). So hätten Bund, Länder und Wirtschaft nicht „monatelang mit Hochdruck und letztlich Erfolg“ für eine Erhaltung der Industrie-Rabatte bei der EU-Kommission gekämpft, um nun „national höhere Hürden“ einzuführen. Industriepolitisch sei die Verschärfung der geltenden Regelungen „äußerst problematisch“. Bild: Sigmar Gabriel (SPD) von blu-news.org, CC BY-SA 2.0 - bearbeitet von Tarifo.deDeutschlandkarte
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