Strom: Haushaltstrom auf Rekordniveau
Kategorie: Strom
Das Jahr 2021 wird als Wahljahr in die Geschichtsbücher gehen. Es ist aber auch das Jahr der steigenden Energiepreise. Regelmäßig ist in der Presse zu lesen, dass die Preise steigen und steigen und leider ist dies auch so. Für Verbraucher, aber auch Teilnehmer der Wirtschaft ist der Höhenflug ein Ärgernis und eben einfach eines: Teuer. Die Wahlen sind gelaufen, die Frage nach den weiter steigenden Stromkosten indes noch lange nicht geklärt.
„Die Beschaffungskosten, die die Energieversorger für Strom zahlen müssen, sind in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen“, formulierte es erst kürzlich die Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae, gegenüber der DPA. Bei langfristigen Lieferungen hätten sich die Großhandelspreise seit Jahresbeginn verdoppelt, kurzfristig gekaufter Strom sei sogar drei Mal so teuer geworden. Mit Verzögerung schlagen die gestiegenen Beschaffungskosten auf den Endkundenpreis beim Verbraucher durch - selbst wer regelmäßig den Stromanbieter wechselt, kann der Preissteigerung nicht gänzlich entkommen.
Zusätzlich hat sich nach Andreae auch der Preis für CO2-Zertifikate habe sich in den vergangenen 24 Monaten mehr als verdoppelt. Die hohen Preise im Gas-Großhandel beeinflussen ebenfalls den Strompreis. Die Erzeugung in Gaskraftwerken verteuert sich. „Diese Effekte können derzeit durch die sinkenden Kosten der Erneuerbaren Energien nicht kompensiert werden“, so Andreae weiter. Und auch das Vergleichsportals Verivox spricht offen von einem Rekordhoch bei den Preisen für den Haushaltstrom. Aktuell koste eine Kilowattstunde Strom durchschnittlich 30,54 Cent und das ist so viel wie noch nie zuvor. Vor einem Jahr lagen die Kosten noch bei 28,65 Cent. In den vergangenen zwölf Monaten habe sich Strom damit um 6,6 Prozent verteuert, gibt Verivox an. Das Portal ist mit dieser Einschätzung in guter Gesellschaft, zum Beispiel Check24 berichtet, acht Grundversorger hätten die Strompreise erhöht oder Erhöhungen angekündigt. Im Schnitt betrügen die Preiserhöhungen 3,7 Prozent. Für einen Musterhaushalt mit 5000-Kilowattstunden-Verbrauch bedeute das Zusatzkosten von durchschnittlich 63 Euro im Jahr.
Der Branchenverband BDEW berichtet über die steigenden Preise, sieht dabei aber nicht die teurer gewordene Erzeugung als Hauptpreistreiber. „Von 100 Euro Stromrechnung sind mehr als 50 Euro staatlich verursacht“, so Andreae weiterhin. Zwischen 2010 und 2020 sei die Belastung für Stromkunden durch Steuern, Abgaben und Umlagen um rund 70 Prozent gestiegen. „Das ist nicht nur eine enorme Belastung für die Verbraucher, sondern behindert auch die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes und hemmt umweltfreundliche strombasierte Anwendungen wie die Elektromobilität oder Wasserstoff.“
Mit weiter steigenden Preisen ist zu rechnen
Auch andere Stimmen werden laut. Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, berichtete der Presse gegenüber, dass der Höhenflug der Strompreise der Industrie massiv schade. Die nächste Bundesregierung müsse als eine ihrer ersten Aufgaben die hohen Strompreise angehen, so seine Forderung. Weitere Marktbeobachter erwarten eine Welle von Preiserhöhungen. „Die meisten Grundversorger ändern ihre Preise zum Jahreswechsel. Deshalb gehen wir davon aus, dass in den kommenden Monaten weitere Stromanbieter ihre Preise erhöhen werden“, sagte Verivox-Energieexperte Thorsten Storck. Nicht absehbar ist dabei, wie hoch die Kosten sich entwickeln. „Wegen der gestiegenen Börsenstrompreise wäre für das kommende Jahr ein Preisanstieg beim Haushaltsstrom um drei Cent pro Kilowattstunde zu erwarten. Die erneuerbaren Energien dürften den Anstieg aber halbieren – auf rund 1,5 Cent“, sagt Philipp Litz von der Denkfabrik Agora Energiewende. Das unabhängige Unternehmen erarbeitet mögliche Wege, die in eine Umsetzung von Klima- und Energiezielen führen sollen. Nach den Ideen des Denklabors müsste Deutschland, um Klimaneutralität zu erreichen, das Stromsystem vor dem Jahr 2045 auf 100 Prozent Erneuerbare Energien umrüsten.
EEG-Umlage ist nicht mehr als Preistreiber zu werten
Lange Zeit war es die EEG-Umlage, die für steigende Preise gesorgt hatte. Dies zumindest soll nun nicht mehr so sein, die Bundesregierung stabilisiert die Umlage für die Jahre 2021 und 2022 mit Milliarden Euro aus dem laufendem Haushalt. Dadurch wurde die Umlage in diesem Jahr auf 6,5 Cent begrenzt, im nächsten Jahr soll sie sogar auf 6 Cent pro Kilowattstunde sinken. Die Umlage wird bisher von Stromkunden bezahlt, Andreae fordert die komplette Streichung der Umlage, um Verbraucher und Wirtschaft zu entlasten. Auf dem Weg zur Klimaneutralität ist laut den Agora-Experten dringend politische Umsetzung gefragt: Für das Jahr 2030 sieht die Bundesregierung derzeit einen Anteil von 65 Prozent Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch vor. Um auf Kurs für Klimaneutralität 2045 zu kommen, sind nach den Angaben der Forscher allerdings mindestens 70 Prozent notwendig. Der Verbraucher kann aktuell nur hoffen, dass die Politik reagiert und weiterhin immer wieder den Stromanbieter wechseln. Das ist momentan neben einem grundsätzlich sparsamen Verhalten die einzige Möglichkeit, mit den steigenden Preisen umzugehen.