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Teure Karten, verstörte Kunden

Kategorie: Finanzen

Edward Miller staunte nicht schlecht: Als der emeritierte US-Wirtschaftsprofessor vor Kurzem bei der US-Bank Charles Schwab eine neue Kreditkarte beantragte, forderte ein Bankangestellter per Fax schriftliche Belege über Millers Nettovermögen, bevor er die Karte mit einem für amerikanische Verhältnisse mickrigen SOOO-DollarDispokredit genehmigte. "Das Ganze hat mir viel Ärger bereitet", poltert der 64-Jährige über seine neuen Erfahrungen mit der Kreditkartengesellschaft. Miller ist damit nicht allein.
Als die Kreditkartenfirma American Express (Amex) ihrem Kunden Kevin Johnson im Dezember kurzerhand den Dispokredit um 7000 Dollar auf nur noch 3800 Dollar stutzte, lancierte der 29-jährige Marketingfachmann aus Atlanta sofort eine Beschwerdeseite im Internet: NewCreditRules.com. Inzwischen ist die Seite durch TV-Sendungen in den USA landesweit bekannt, Amex blieb dennoch stur.

Die Ursache für das neue Geschäftsgebaren, bei Krediten die Zügel anzuziehen ist ein Gesetz zum Schutz der US-Verbraucher vor überzogenen Zinsforderungen und Darlehenskonditionen. Allerdings tritt der Capital j" Act 2009 erst im Februar 2010 in " Kraft. Bis zu diesem Zeitpunkt wollen nun die US-Banken und Kredit~
e kartenunternehmen von ihren Kun~
den so viel Cash wie möglich sehen, um si ch gegen Kreditausfallrisiken rechtzeitig abzusichern. Die Bank of America informierte im April alle Kunden, die weniger als zehn Prozent Kreditzinsen zahlen, dass die US-Bank ab Juni wegen der Wirtschaftskrise und gestiegenen Darlehenskosten für laufende Kredite höhere Zinsen berechnen wird. So hat die Bank bei dem US-Bürger Charles Crawford aus Texas die Zinsen für einen 19000-Dollar-Kredit von 12,2 auf 23,2 Prozent auf einen Schlag fast verdoppelt. Die einzige Chance der Kunden, ihre alten Konditionen zu behalten, war ein schriftlicher Verzicht auf den Einsatz der Karte bis zur Tilgung des Darlehens.
Die Beispiele sind ein Beleg dafür, wie sich die Kreditkartenwelt in Amerika verändert. Und dieser Prozess hat erst begonnen.
Rund 280 Milliarden Dollar werden der US-Volkswirtschaft durch eine restriktivere Vergabe von Kreditkarten in zwei Jahren entzogen, schätzt JP-Morgan-Analyst Andrew Wessel. Die Summe entspricht gut 30 Prozent der Gesamtsumme revolvierender Kredite, zu denen auch Kreditkartendarlehen zählen. Revolvierend heißt, dass die Bedingungen für die Rückzahlung eines Darlehens nach Ablauf der Laufzeit weiter gelten, sofern keine Änderung vorgeschlagen wird .
Ende Juni lag die Summe der Darlehen laut Statistik der US-Notenbank Federal Reserve bei 917 Milliarden Dollar, 75 Prozent davon werden von den sechs größten Kartenkonzernen vergeben. Bis Juni sank die Summe damit zum fünften Mal in Folge. Bis 2011, schätzt JP Morgan, wird das Gesamtvolumen noch deutlich schrumpfen, bis auf das Niveau vom Oktober 2000.
Zu den Verlierern dieser Entwicklung gehört der weltweit bekannte Traditionskonzern American Express. Amex habe sein Kreditkartengeschäft im Wesentlichen am Ende des jüngsten Wirtschaftszyklus ausgebaut und zahle jetzt mit hohen Ausfallraten die Zeche für zu lockere Konditionen, sagt JP-Morgan-Mann Wessel. Dazu kommt, dass die Firma ihr Geschäft stark auf den Heimatmarkt und im Speziellen auf das derzeit schwierige Reisegeschäft konzentriert hat. Und im klassischen Kreditkartenmarkt in den USA ist ohnehin nur noch wenig Raum für Wachstum.
Weniger Karten, weniger Kredite.
Dieser Trend wird sich in den USA in den kommenden Jahren stärker beschleunigen als erwartet, glaubt Wessel. Auch die Renditen würden stärker schrumpfen als gedacht. Die folge: Statt 15 bis 20 Prozent Kapitalrendite wie bisher werden im US-Kreditmarkt in den kommenden Jahren nur noch zwölf bis 14 Prozent machbar sein. Experte Wessel warnt deshalb auch Anleger vor übertriebenen Hoffnungen. In Bezug auf die Renditen seien viele Aktionäre zu optimistisch, vor allem bei Firmen wie Capital One und Amex, die auf dem Heimatmarkt stark sind. Besonders Capital One habe (neben der Bank of America) unter den sechs größten Karteninstituten den prozentual größten Anteil an Kunden mit geringer Bonität, die bei höheren Zinsforderungen noch stärker pleitegefährdet sein dürfte als bisher.

Bei Konkurrent Amerikan Express schrumpfen zudem auch die Einnahmen aus dem globalen Kartengeschäft deutlich. Nach16 Prozent weniger 2008 erwartet JP Morgan für das laufende Jahr ein Minus von 17 Prozent. Anleger sollten deshalb dem jüngsten Kursschub bei der Amex-Aktie widerstehen.

Denn die Reaktion der US-Verbraucher auf höhere Gebühren und abgespeckte Prämien ihrer Kreditkarteninstitute wird nicht ausbleiben. Sie dürften künftig stärker auf kostenlose Kundenkarten (Debit-Cards) von Firmen wie Wal-Mart setzen.
Hier gibt es als Belohnung für mehr Konsum unverändert attraktive Belohnungsprogramme. Doch auch in diesem Bereich geht es nicht ohne die klassischen Kartenanbieter. Breitgemacht haben sich in dem attraktiven Segment vor allem die international gut aufgestellten Konzerne Mastercard und Visa.
Der globale Branchenprimus Visa kontrolliert nach Schätzungen der Ratingagentur Moody's in den USA in diesem Segment bereits 60 Prozent des Markts und macht damit 50 Prozent seines Geschäfts in den USA. Für den Kreditkartenriesen ist das eine optimale Position in dem an sich schwierigen Heimatmarkt. Die Beliebtheit der Debit-Cards hat nach der aktuellen Statistik des Marktforschungsinstituts Nilsan zuletzt wieder deutlich zugelegt. In den USA werden gegenwärtig gut 38 Prozent der Konsumausgaben mit Kundenkarten bezahlt, 2002 waren es erst 26 Prozent.
Noch deutlicher wird der Siegeszug der Kundenkarten in Bezug auf die Gesamtanzahl der Geldtransaktionen. Dort laufen bereits 58 Prozent über die Debit-Cards, während Kreditkarten noch bei knapp 42 Prozent liegen. Zum Vergleich: Hierzulande, wo die beliebte EC-Karte eine ähnliche Bedeutung wie die Kreditkarte in den USA hat, konnten sich weder Kredit-noch Kundenkarten eine relevante Position im Zahlungsverhalten erarbeiten. Deutsche zahlen am liebsten bar oder lassen von ihrer Girokarte abbuchen.

Bremsenwird die Ec-Karte der Deutschen die globalen Wachstumsperspektiven von Visa und Mastercard aber wohl kaum. Weltweit werden nach Schätzungen von Moody's immer noch 50 Prozent der privaten Ausgaben bar oder mit Schecks bezahlt. Bei den weltweiten elektronischen Bezahlungen liegt Visa mit jährlich 50 Milliarden Transaktionen für Güter und Dienstleistungen im Wert von mehr al s vier Billionen Dollar mit deutlichem Vorsprung vorn. Konkurrent Mastercard mit einem ähnlichen Geschäftsmodell fol gt mit Waren und Dienstleistungen im Wert von 2,2 Billionen Dollar auf Platz 2, ebenfalls deutlich vor der Nummer 3, American Express, mit nur 600 Millionen Dollar.
Aber auch finanziell steht Parkettneuling Visa, seit März 2008 an der Börse, besser da als die Konkurrenz. In den ursprünglich drei Milliarden Dollar schweren Topf, der für gerichtliche Auseinandersetzungen mit Konkurrenten reserviert ist, hat Visa im Dezember weitere 1,1 Milliarden eingezahlt. Die Einigung mit Amex (2007) und Discover (2008) haben den Branchenprimus zwei Milliarden gekostet.
Dabei kann sich Visa, immer wenn es vor Gericht teuer wird, ohnehin auf seine fünf wichtigsten Bankpartner verlassen. Schließlich halten diese zusammen mehr als 20 Prozent der Anteile am erfolgreichen Branchenprimus.
Wie stark sich das Image der Branche in den USA verändern wird, hängt vom Feingefühl für die Kunden ab. Augenoptiker William Stacy wird die Blamage vor Freunden auf der Feier seines 65. Geburtstags wohl nicht mehrvergessen. Er konnte die Rechnung nicht bezahlen, weil seine Amex Blue Card gesperrt war. Obwohl Stacy Schulden stets pünktlich beglich, hatte American Express seinen Kreditrahmen gekappt.