Ökostrom zur Wiesn - Atomausstieg auf bayrisch
Kategorie: Strom
Am Samstag ist es wieder so weit. Dann darf Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) wieder versuchen, im "Schottenhamel" mit möglichst wenig Schlägen den Zapfhahn ins Fass zu treiben, um anschließend mit den Wort "O'zapft is!" die Münchner Wiesn zu eröffnen. Das Oktoberfest wird auch dieses Jahr wieder Scharen von Besuchern aus aller Welt anziehen und den Brauereien satte Gewinne bescheren. Doch die Brauereien sind nicht die einzigen, die auf der Gewinnerseite stehen. Auch die Münchner Bürgerinnen und Bürger bekommen etwas: nämlich reinen Ökostrom, ab 2015, von den Stadtwerken München. Atomausstieg auf bayrisch.
Über kaum einen anderen Stromanbieter wird derzeit so viel geschrieben, wie über die Stadtwerke München. Im Zuge der Rekommunialisierung stehen die SWM als Gewinner da: sie wurden nämlich nie verkauft! Während nach der Marktöffnung die Städte und Gemeinden ihre Stadtwerke reihenweise an die großen Energiekonzerne verkauften, um so in der Regel akute Haushaltslöcher schnell und einfach stopfen zu können, blieb München standfest. Die Stadtwerke München blieben in den Händen der Stadt. Eine Entscheidung, die damals für Furore sorgte. Denn das Unternehmen machte in der Folgezeit hohe Verluste. Geschäftsführer Dr. Kurt Mühlhäuser gelang es jedoch, innerhalb weniger Jahre aus den roten Zahlen zu kommen und die Stadtwerke München zu einem profitablen Unternehmen zu machen. Was sich Städte wie Hamburg erst mühsam zurückerkämpfen müssen, haben die Münchner nie aus der Hand gegeben: die Hoheit über die eigene Energie in der Stadt.
Die weiße Weste der Stadtwerke hatte bislang nur einen kleinen Fleck: besonders "öko" war der Strom nicht. Vor zwei Jahren wurde sogar noch vorgeschlagen, weitere Kohlekraftwerke zu bauen, um den künftigen Energiebedarf zu decken. Der Vorschlag scheiterte am rot-grünen Stadtrat. Und jetzt das: ab 2015 wollen die SWM ausschließlich Ökostrom an die Privatkunden in München abgeben. Null Kohle, null Atom - 100 Prozent Öko. 2025 sollen dann auch noch die Industrie- und Gewerbekunden folgen, womit München dann flächendeckend Strom aus erneuerbaren Energie beziehen würde.
Das sind bei den rund 750.000 Privathaushalten der Stadt über zweieinhalb Milliarden kWh Ökostrom pro Jahr. Für Industrie und Gewerbe kommen weitere fünf Mrd. Kilowattstunden an Strom im Jahr hinzu, d.h. auf einen Gesamtverbrauch von 7,5 Millarden kWh Ökostrom jährlich. Um diesen Bedarf zu decken, wollen die Stadtwerke München in kurzer Zeit neue Anlagen bauen: Solaranlagen, Windkraftanlagen und Wasserkraftanlagen. Zusätzlich wollen die SWM in nationale und internationale Großprojekte investieren, wie z.B. in solarthermisches Kraftwerke in Andalusien oder Offshore-Parks in der Nordsee.
Diese Pläne sind nicht gerade günstig. Die Süddeutsche Zeitung schreibt von einer halben Milliarde Euro jährlicher Investitionskosten. Das finanzieren die Stadtwerke München aus dem laufenden Stromgeschäft. Denn obwohl der Wettbewerb der Stromanbieter in München sehr hart ist, kaufen über 95% aller Kundinnen und Kunden ihren Strom immer noch bei den Stadtwerken. Und der derzeitige Strom wird aus Kohle und Atomkraft gewonnen. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie: die Münchner Atomkraft finanziert den Atomausstieg in München. Was die Ökostromwende in München für die Strompreise in der bayrischen Landeshauptstadt bedeuten wird, muss sich erst noch zeigen. Ob das aktuell recht moderate Preisniveau gehalten werden kann, ist unklar.
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