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Nachzahlungen bei gekündigten Lebensversicherungen

Kategorie: Finanzen

Haben die Verbraucherschützer für die deutschen Lebensversicherungskunden tatsächlich einen epochalen Sieg errungen? Das Landgericht Hamburg hat in drei Urteilen gegen die Versicherer Deutscher Ring, Hamburg-Mannheimer und Generali (Volksfürsorge) entschieden, dass mehrere von den Versicherern verwendete Klauseln zur Kündigung und zur Beitragsfreistellung intransparent und damit unwirksam sind (Az.: 324 O 1116/07, 1136/07, 1153/07). Dem Kunden sei "weder das volle Ausmaß seiner wirtschaftlichen Nachteile bei einer Kündigung vor Augen, noch wird eine Vergleichbarkeit mit anderen Angeboten, auch anderen Kapitalanlagen, erreicht".

Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Hamburg, die nun damit rechnet, dass alle Kunden, die seit 2001 eine Kapitallebens- oder private Rentenversicherung abgeschlossen und seither gekündigt haben, jetzt einen Nachschlag auf den meist mageren Rückkaufswert fordern können. "Wir freuen uns riesig über das Urteil. Wir wollen, dass Verbraucher zu ihrem Recht kommen und zwar in der Breite", sagte Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Castelló ist überzeugt, dass das Urteil nicht nur für Kunden der drei Unternehmen gilt, sondern für die gesamte Branche. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe ähnliche, bis 2001 verwendete Klauseln bereits 2005 für ungültig erklärt. Die neuen Klauseln seien seit dem Herbst 2001 von fast allen Versicherungsunternehmen verwendet worden. Laut Castellós Berechnungen sind daher rund 24 Millionen Versicherte von der neuen Rechtsprechung betroffen, die ihre Verträge in den vergangenen Jahren gekündigt haben. Der durchschnittliche Nachschlagsbetrag liege immerhin bei etwa 500 Euro.

Um das auszuschöpfen, müssen die Verbraucher aber selbst tätig werden. Leider pochen nach Castellós Erfahrung in der Regel nur ein bis drei Prozent der Versicherungskunden nach solchen Urteilen auf ihr Recht. Daher fiel auch das Echo auf die BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2005 deutlich geringer aus, als von Verbraucherschützern gehofft. Doch nur, wenn genug Betroffene aktiv werden, bewegt sich die Versicherungswirtschaft. Daher drängt Castelló darauf, dass betroffene Kunden sofort ihre Ansprüche bei ihrer Versicherung anmelden, auch wenn die Versicherungswirtschaft wohl Berufung gegen das Urteil einlegen wird. Selbst in dem sehr wahrscheinlichen Fall, dass der Vorgang wieder beim BGH landet, rechnet die Versicherungsexpertin damit, dass die Betroffenen in eineinhalb Jahren Rechtssicherheit haben. Die Hamburger Verbraucherschützer bieten auf ihrer Internetseite (www.vzhh.de) Hintergrundinformationen und Musterbriefe.

Ein solcher "Ich möchte mein Geld zurück"-Brief an die Gesellschaft, bei der ein Kunde seine Lebensversicherung hatte, kann auf keinen Fall schaden. Der Fachanwalt für Versicherungsrecht Klaus-Jörg Diwo ist aber skeptisch, dass sich die Hamburger Entscheidung tatsächlich so leicht auf die gesamte Branche übertragen lässt. "Das gilt nicht automatisch für alle anderen Versicherer. Man wird sich bei jeder Versicherungsgesellschaft separat anschauen müssen, ob die Ausführungen des Landgerichts auf die Vertragsbedingungen passen. Ich kann nicht ausschließen, dass einige Unternehmen andere Klauseln haben", sagte der Leiter des Arbeitskreises Personenversicherungsrecht in der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht im deutschen Anwaltverein.

Diwos Prognose: Die Versicherungswirtschaft wird das weit von sich weisen, um ihre ohnehin schon von der internationalen Finanzkrise gebeutelten Bilanzen zu schonen. Zudem rechnet der Versicherungsexperte damit, dass die Branche auf Zeit spielt und auf eine Verjährung setzt. Denn eine höchstrichterliche Klärung des Sachverhaltes hält er erst in drei bis fünf Jahren für realistisch.

"Alle, die ihre Lebens-Police in den vergangenen Jahren gekündigt haben, sollten ihren Versicherer daher bitten, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten", rät Diwo. Nur so wird der Anspruch auf die Neuberechung des Rückkaufswertes auch für die kommenden Jahre gesichert. Denn auch beim Thema Verjährung streiten sich Verbraucherschützer und Versicherer. "Wir meinen, dass die Verjährungsfrist erst ab dem Zeitpunkt läuft, wenn der BGH Rechtssicherheit geschaffen hat. Die Unternehmen hingegen sehen die Vertragskündigung als Start", erklärt Castelló.

Auch der Branchenverband rechnet damit, dass sich Verbraucher noch gedulden müssen, bis es in der Frage des Rückkaufwertes Rechtssicherheit gibt. "Ich gehe davon aus, dass die betroffenen Unternehmen das Ganze höchstrichterlich klären lassen werden", sagte Ulrike Pott vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Auch eine Grundsatzbedeutung der Entscheidung sieht sie erst mal nicht, zunächst seien nur Kunden der drei Unternehmen Deutscher Ring, Hamburg-Mannheimer und Generali (Volksfürsorge) betroffen.

Kunden sollten sich auf dieses Urteil berufen und Nachschlag fordern. Eine Beschwerde beim Versicherungsombudsmann hemmt die fünfjährige Verjährungsfrist vorerst (10006 Berlin, Postfach 080632 oder per Mail an: beschwerde@versicherungsombudsmann.de 
Kunden, die 2004 ausgestiegen sind, müssen noch bis Ende 2009 handeln. Weitere Infos unter www.vzhh.de